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"heimat.kunden" – Ein Projekt von Dirk Raulf. Lippstadt 2020 - 2022
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Montag, 30. November 2020 (Bei Suche nach "josefsheim" )
Im Dezember fängt eine Zusammenarbeit mit zwei Schulklassen des Ev. Gymnasiums an, die sich schwerpunktmäßig mit den 2021 geplanten ersten Lippstädter "Stolpersteinen" beschäftigen und zu diesem Thema auch die ehemalige Synagoge besucht haben. Wie die Aktivitäten in der Synagoge, soll auch diese Arbeit über 2020 hinaus weitergehen.

Wie viele Themen und wie viele Vorarbeiten konnte ich – für mich meist völlig überraschend – im Laufe des Jahres 2020 recherchieren; diese Ergebnisse und Erkenntnisse allein machen das Projekt "heimat.kunden" für mich ungeheuer wertvoll.

- Die beiden Zwangsarbeiterlager Buchenwald I & II mit knapp 1000 jüdischen Frauen, die z. T. vom KZ-Arzt Josef Mengele persönlich von Auschwitz nach Lippstadt geschickt wurden.

- Weitere ca. 20 Lager für zivile Zwangsarbeiter im Stadtgebiet, die bei Lippstädter Firmen schuften mussten. Zwei Drittel Frauen, insgesamt sind namentlich ca. 5000 Menschen bekannt. Dazu gab es schon 2006 eine Ausstellung in der Galerie im Rathaus, es existiert eine Publikation, das Ganze initiiert durch den Arbeitskreis Frauengeschichte und maßgeblich unterstützt durch die Leiterin des Stadtarchivs, Frau Dr. Becker.

- Die sogenannte "Lampenbude" in der Hospitalstraße, Stammwerk der späteren HELLA, Zwangsarbeiterlager, Obdachlosenasyl und vor kurzem noch Flüchtlingsunterkunft. Und um einen Raum mit einer solchen Geschichte gibt es in Lippstadt tatsächlich Diskussionen... Wenn diese Liegenschaft nicht für Erinnerungskultur in Lippstadt stehen soll – welche denn dann?

- Die Lebensgeschichten einzelner ehemaliger Zwangsarbeiterinnen, Einzelschicksale, die vor mir schon Christoph Motog für den "Blicker" recherchiert hatte. Nach wie vor versuche ich, einen Platz im Bereich des ehemaligen LEM-Lagers an der Graf-Adolf-Straße nach der Zwangsarbeiterin Edith Gluck benennen zu lassen.

- Die Ausstellung und Publikation zu jüdischen Zwangsarbeiterinnen in Lippstadt.

- Die Ermordung französischer Zwangsarbeiter und ihrer deutschen UNION-Kollegen kurz vor Kriegsende.

- Die Arbeit von Nadja Thelen-Khoder, die unermüdlich zahlreiche einzelne Schicksale von Zwangsarbeiterinnen in Lippstadt gesammelt und online veröffentlicht hat.

- Das jüdische Leben in Lippstadt bis zur Unterdrückung und Deportation. Die drei jüdischen Friedhöfe: auf dem Hauptfriedhof, in Lipperode und unweit der Burgmühle.

- Die Nutzung von Lagern nach dem Krieg für "Displaced Persons", später, nach Umbau, für Ostflüchtlinge. Das "Polenviertel" nach dem Krieg, unweit der Innenstadt, unter Einbeziehung des Ostendorf-Gymnasiums.

- Die verdienstvollen Publikationen des Heimatbunds von Hans Christoph Fennenkötter, Burkhard Beyer, Eduard Mühle. Das umfangreiche Buch "Lippstadt 1933 – 1945" von Karin Epkenhans.

- Die Entdeckung der Geschichte und der Schriften des in Lippstadt geborenen Universalgelehrten des 16. Jahrhunderts, David Gans.

- Der Hinweis von Christoph Motog auf die Aktivitäten und das Buch von Patrick Desbois; in diesem Zusammenhang der Fund von in Lippstadt gefertigter Munition in Massengräbern erschossener Juden in der Ukraine.

- Die Arbeit von Walter Leimeier über den nach Shanghai geflüchteten Lippstädter Juden Julius Mosbach. Das Schülerprojekt und die Dokumentation.

- Die Verbindung Elke Lasker-Schülers (deren Familie aus Geseke stammte) nach Lippstadt.

- Die Geschichte des Schriftstellers Gottfried Knapp, der 1938 in Frankfurt beim Gestapo-Verhör starb, und seiner Lippstädter Frau Luise Knapp, geb. Windmüller, Tochter des HELLA-Gründers. Die Tatsache, dass die Gottfried-Kapp-Straße immer noch in die Luhmannstraße übergeht, benannt nach einem NS-nahen "Heimatdichter".

- Die Geschichte des Lippstädter "Kriegshelden" und verurteilten Naziverbrechers Otto Steinbrinck.

- Die Geschichte von Paul Brune, die während der NS-Zeit als Heimkind im Josefsheim in Lippstadt begann.

- Die sieben Zwangsarbeiterinnen und der Säugling, die 1944/45 in Lippstadt starben und in Anröchte in ein offenes Massengrab geworfen wurden. Mein Besuch dort steht noch aus.

- Das frühe KZ in Benninghausen.

- Die Zwangssterilisationen und Euthanasie-Verbrechen in Eickelborn, Benninghausen, dem Ev. Krankenhaus.

- Der Besuch in Bergen-Belsen, die Verbindung nach Lippstadt.


Die Geschichte des Nationalsozialismus bildet in der Stadt immer noch einen ungeheuren Knoten, den es gemeinsam zu lösen gilt. Was kann da sinnvoller sein als ein Projekt mit Schülerinnen und Schülern?
Patrick Desbois, Der vergessene Holocaust: Die Ermordung der ukrainischen Juden. Eine Spurensuche

Christoph Motog machte im "Blicker" bereits auf die Arbeit von Patrick Desbois aufmerksam. Desbois recherchiert und lokalisiert mit der Organisation Yahad – In Unum seit 2004 Massengräber jüdischer Opfer des Holocaust in der Ukraine, Weißrussland, Russland, Rumänien, Polen, Moldawien und Litauen. Eine Million Juden wurden von den Deutschen erschossen. Bis 2009 wurden so über 1000 solcher Massengräber dokumentiert und über 3500 Zeitzeugen befragt. Das Buch lässt zahlreiche Augenzeugen dieses Massenmords zu Wort kommen und gibt einen Überblick über die noch immer wenig bekannten Geschichte dieses Teils der Judenvernichtung.

In Massengräbern in der Ukraine wurde dabei lt. Motog auch markierte Munition gefunden, die nachweislich von metallverarbeitenden Firmen in Lippstadt stammte.

"Unter der Erde ist jeder an seinem Platz, den die Hierarchie des Dritten Reiches für ihn vorsah...(Während Deutsche, auch SS-Männer)... auf prachtvolle Friedhöfe umgebettet wurden, gibt es lediglich kleine Gräber für die Franzosen, weiße Steine unter Brombeergestrüpp für die anonymen sowjetischen Soldaten und absolut nichts für die Juden." (P. D.)